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Theaterkritik für SIGNAS Das halbe Leid

Produktionsstills - Das halbe Leid - Signa - Deutsches Schauspielhaus 2017/18 - Rolle : Susi Kowalski, Fotos: Erich Goldmann, Regie: Signa Köstler. Kollegen hier: Julian Sark, Raphael Souza Sá, Camilla Lönbirk, Benedicte Skjalholt, Frederik von Lüttichau.
Produktionsstills - Das halbe Leid - Signa - Deutsches Schauspielhaus 2017/18 - Rolle : Susi Kowalski, Fotos: Erich Goldmann, Regie: Signa Köstler. Kollegen hier: Julian Sark, Raphael Souza Sá, Camilla Lönbirk, Benedicte Skjalholt, Frederik von Lüttichau.

Die Performerin Evi Meinardus ist zum ersten Mal bei SIGNA dabei und verkörpert Susi auf wirklich überzeugend-glaubhafte Weise (womit die Wirkung hier steht und fällt). Ihre Susi kommt aus Wilhelmshaven, spricht lasziv und doch keck mit nordischem Akzent und wirkt vom Dosenbier „Ratskrone“, das sie meist mit sich herumträgt, etwas benebelt. Sie ist eine der Dienstältesten im Verein, etwas prollig, hört gern Rockmusik von Doro Pesch und ist mit Cliff, dem vermeintlich coolsten Typ aus der Gruppe der „Deutschen“ liiert. Sie warnt mich vor Alina und Radka aus Osteuropa, denn als Susi-III teile ich ihre Vorurteile gegenüber „Ausländern“ und halte mich weitestgehend von ihnen fern. 

In einem ersten Kurs im Therapiezentrum auf der anderen Seite der Werkhalle, der von Betty nach dem Prinzip der Familienaufstellung durchgeführt wird, erfahre ich, dass Susi im Alter von 8 bis 14 Jahren regelmäßig und im Wissen des Vaters von ihrem Onkel sexuell missbraucht wurde. Es folgten Jahre, in denen sie im Escort-Service tätig war und immer regelmäßiger anschaffen ging. Sie hat zwei Kinder, die sie aber seit Jahren nicht gesehen habe. Mit Männern habe sie generell immer nur schlechte Erfahrungen gemacht; auch Cliff betrüge sie seit Jahren. Ein erfülltes Leben sieht anders aus. Trotzdem wirkt sie relativ stark. Ich mag sie und merke, wie sich Stück für Stück eine Bindung zu ihr aufbaut.  (…)

Eine Theaterkritik von Theresa Schütz von der Freien Universität Berlin & dem Affective Society Blog Für SIGNAS  "Das halbe Leid" / Deutsches Schauspielhaus 2017 / 2018. Die vollständige Kritik Liest Du  HIER.

 

Bevor mir klar wird, wieso mich Leidsatz 4 so irritiert, werden wir im Frauenschlafsaal in einer Reihe aufgestellt. Susi, die hier das Sagen hat, wählt als Erste ihre Kursistinnen aus: „Du und du. Kommt.“

(…)

Dann steht plötzlich jemand vor uns. Susi. „Ich kann dir ja mal die Puppe wegnehmen“, sagt sie leise. Pamela schreit: „Nein, nicht Baby! Niemand darf mir Baby wegnehmen!“ Aber Susi hat schon ein Puppenbein geschnappt, zerrt daran und reißt Pamela von der Couch. „Susi, lass“, protestiere ich schwach, aber ich habe selbst Angst und Susi hört mich gar nicht. Zum Glück kommt Hilfe. „Soll sie auch mal sehen, wie das ist, wenn man seine Kinder verliert“, ruft Susi. Pamela krümmt sich am Boden über ihre Puppe, ihr Rücken bebt, ich streichle sie.

Annabel Trautwein vom Magazin Hinz &Kunzt. Die ganze Kritik HIER zum Nachlesen.

 

 Kiritikenrundschau von Michael Laages / Nachtkritik:

 

"Das komplexe Signa-Paralleluniversum von Signa und Arthur Köstler mit seinen über 40 Performern hat mich fest im Griff", resümiert Sven Ingold in der Welt (18.11.2017) seine Erfahrung des 12-Stunden-Experiments. "Die Illusion ist perfekt und – ich leide mit. Oder ist auch das nur eine Illusion?"

 

"Dieses Theaterstück macht etwas mit jedem, der dabei ist", schreibt Heinrich Oehmsen im Hamburger Abendblatt (18.11.2017). "Wer demnächst vor einem Lebensmittelmarkt einen Obdachlosen lagern sieht, wird vielleicht mit anderem Blick auf ihn schauen – weil er in dieser Nacht eine Ahnung davon bekommen hat, was es bedeutet, auf der Straße zu leben."

 

"Das waren aufrüttelnde, sogar lebensverändernde zwölf Stunden", gibt Daniel Kaiser im NDR (18.11.2017) zu Protokoll. "Nach nur einer Nacht in der Obdachlosenunterkunft-Attrappe sehe ich die Menschen, die in den Fußgängerzonen auf dem Boden sitzen und unter Brücken zelten, anders. Aber auch die Mechanismen und die Motivation von Mitleid erscheinen neu."

 

"'Furcht und Mitleid zu erregen' sei der Zweck des Theaters, so meinte schon Gotthold E. Lessing. Mitleid im Theater – so verstand der damalige Dramaturg des Hamburger Nationaltheaters seinen Aristoteles – sei 'geteiltes Leid', und zwar mit den vom Schicksal aus der Bahn Geworfenen." Man greife nicht zu weit, wenn man die neue Signa-Arbeit in diesen Zusammenhang stelle. Aber Bernhard Doppler vom Wiener Standard (29.11.2017) bereitete die Nacht des Elends auch "komödiantisches Vergnügen: das Verwildern und Herausfallen aus der Mitte der Gesellschaft!" Nicht nur an Gorkis Nachtasyl müsse man denken, auch Puccinis zugiger La Bohème-Dachboden sei gar nicht so fern.

Vollständige Kritik Michael Laages

 

 

 Fotos: erich Goldmann

SIGNA